Intimate Journal

Fragen an eine Sexualpädagogin Part I

Fragen an eine Sexualpädagogin Part I

Wir haben mit der Sexualpädagogin Dianne gesprochen und ihr einige Fragen gestellt, die uns die letzten Monate erreicht haben. 

 

Wer bist du und was genau machst du?

Ich bin Dianne, Grundschul- und Sexualpädagogin und auf TikTok und Instagram mit über 120.000 Follower*innen als @fragdianne unterwegs und kläre in den sozialen Medien über Mythen und Fragen bezüglich der Sexualerziehung auf. Als Mutter von 5 Kindern im Alter von 7-19 Jahren habe ich mich selbst immer gefragt: „Wie kann ich meinen Kindern die richtigen Informationen über Sexualität vermitteln?“ Letztendlich bin ich dann mit dem Thema „Sexuelle Bildung“ an die Öffentlichkeit gegangen, um andere Eltern dabei zu unterstützen, ihre Kinder auf eine gesunde und sichere Weise aufzuklären. In meinen Videos und Beiträgen spreche ich vor allem über die Herausforderungen, denen Eltern bei der Aufklärung ihrer Kinder begegnen und welche Auswirkungen das sexuelle Wohlbefinden auf die mentale Gesundheit hat.

 

Was genau ist eine Sexualpädagogin und wie können wir uns deinen Alltag vorstellen?

Eine Sexualpädagogin hilft Menschen dabei, ein positives und gesundes Verständnis von Sexualität zu entwickeln und vermittelt ihnen das nötige Wissen und die Fähigkeiten, die für ein erfülltes und respektvolles Sexualleben wichtig sind. Das kann im Alltag als Lehrperson in Schulen geschehen, in Organisationen/Gesundheitszentren als Berater oder Beraterin oder wie ich als Content Creatorin in den sozialen Medien. Mein Alltag ist nie gleich, was mir aber gut gefällt, da ich familiär mit meinen 5 Kindern schon sehr eingespannt bin und deshalb sowieso jeder Tag anders aussieht. Im Moment sitze ich hauptsächlich vor meinem Laptop und schreibe Artikel u.a. für Fachbücher und Magazine zu verschiedenen sexualpädagogischen Themen und gebe Interviews, wie dieses hier oder bin als Speakerin auf verschiedenen Veranstaltungen unterwegs.

Da ich erst vor einem Jahr damit angefangen habe, bin ich zudem noch sehr viel mit dem Aufbau meiner Community in den sozialen Medien beschäftigt. Ich versuche jeden Tag Ewas zu posten und mit meinen Follower*innen zu interagieren, indem ich ihre Fragen beantworte. Gerade genieße ich es sehr, dass ich hauptsächlich schreibe und Videocontent kreiere, aber manchmal sehne ich mich auch danach, wieder zu beraten und zu unterrichten, um mit den Eltern, Kindern und Jugendlichen in „real Life“ zusammenzukommen. Zeitlich würde ich es jedoch im Moment nicht unterkriegen.

 

Was hat dich dazu gebracht, Sexualpädagogin zu werden und wie lange übst du diesen Beruf bereits aus?

Ich habe 5 Kinder. Alle haben einen Penis und fühlen sich - bis jetzt - dem männlichen Geschlecht auch zugehörig und alle haben mich gefragt, warum ich statt eines Penis Haare zwischen den Beinen habe. Da ich schon immer sehr offen mit der Sexualität umgegangen bin und kein Blatt vor den Mund nehme, mussten sich meine Kinder nie schämen, ihre Fragen zu stellen. Schon während meines Studiums zur Grundschullehrerin habe ich in den Praktika erfahren müssen, dass der Sexualkundeunterricht an den Schulen wirklich zum Teil noch unzureichend ist und meine Kinder mich sozusagen als Bezugsperson brauchen, um die richtigen (nicht nur biologischen) Informationen zu bekommen und ich sicherstellen kann, dass vor allem auch die Themen "Beziehungen, Gefühle und Identitäten" im Vordergrund stehen.

Dass daraus ein Beruf wurde, war eher ein Zufall und ist aus einem Spaß zwischen meinem ältesten Sohn und mir während des ersten Corona Lockdowns entstanden. Er wollte damals unbedingt einen TikTok Kanal starten und da ich natürlich sehen wollte, was er dort „treibt“, habe ich mich auch dort angemeldet. Wir haben eine Wette gestartet, wer von uns die meisten Follower*innen bekommt und was soll ich sagen… ich habe gewonnen. Ich habe damit angefangen sexualpädagogische Fragen von Kindern und Jugendlichen zu beantworten und gleich das erste Video mit der Frage „Warum wird mein Penis steif?“ ging sofort viral. Ich habe gemerkt, wie viele Menschen ich erreichen und dass ich mit dieser Art über die sozialen Medien meinen Beitrag zu mehr sexueller Bildung und beitragen kann.

 

Wie definierst du Sexualität und welche Rolle spielt sie in unserem Leben?

Sexualität ist für mich ein wichtiges Thema, nicht zuletzt, da es in meiner eigenen Erziehung und in meinem eigenen Umfeld sehr stark tabuisiert wurde und ich dadurch einige (sexuelle) Übergriffe erfahren musste. Durch meine Rolle als Mutter wollte ich es unbedingt anders machen und es war mir sehr wichtig, dass meine Kinder über Sexualität auf eine positive und selbstbestimmte Weise aufgeklärt werden, um vor allem sexuellen Übergriffen und Diskriminierung entgegenzuwirken. Sexualität ist ein wichtiger und natürlicher Teil des menschlichen Lebens. Ohne Sexualität würde es uns nicht geben, trotzdem wird dieser Teil des Lebens oft ignoriert oder unterdrückt. Das zu ändern, wird viel Leid ersparen, davon bin ich feste überzeugt!

 

Welche Themen behandelst du mit deinen Patienten und welche Zielgruppe hast du dabei im Blick?

Meine Zielgruppe sind Eltern und andere Bezugspersonen, die sich für eine gesunde und sichere, frühzeitige und korrekte Aufklärung ihrer Kinder interessieren. Die Themen reichen von der (korrekten) Bezeichnung der Körperteile, insbesondere der Genitalien, über Konsens und Respekt in allen Bereichen von Beziehungen, Selbstliebe, Masturbation bis hin zur Identitätsfindung. Selbstverständlich finden auch hier die Jugendlichen Antworten auf eventuelle Fragen und Unsicherheiten, die sie selbst nicht mit ihren Bezugspersonen besprechen möchten.

 

Wie können wir als Gesellschaft dazu beitragen, eine gesunde und positive Einstellung zur Sexualität zu fördern?

Oh, da gibt es sehr viel! Die drei wichtigsten Themen die mir einfallen, sind die Sprachfähigkeit, der aktive Einsatz für Diversität und die Förderung eines positiven Körperbilds. Mit Sprachfähigkeit meine ich die Fähigkeit über Sexualität zu sprechen. Dazu gehört vor allen Dingen zu akzeptieren, dass wir von Anfang an sexuelle Wesen sind und die Sexualität ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens ist. Das heißt, dass es notwendig ist, Kinder von Anfang an eine altersgerechte Sexualerziehung zu ermöglichen und diese dann später auf eine umfassende Art und Weise in den Schulen fortzusetzen. Durch Sprache können wir Gefühle und Grenzen offen kommunizieren und deshalb ist sie das Instrument, das vor allen Dingen vor sexuellen Übergriffen schützt.

Der aktive Einsatz für Diversität beinhaltet die aktive Bekämpfung gegen Sexismus, Diskriminierung und Gewalt. Leider werden Menschen immer noch aufgrund unterschiedlicher Geschlechter, Ethnie, sexueller Orientierung und Fähigkeit diskriminiert. Diese Vorurteile abzubauen und eine gleichberechtigte und inklusive Behandlung aller Menschen zu fördern, wird auch eine gesunde und positive Einstellung zur Sexualität zur Folge haben. Mit Förderung eines positives Körperbilds meine ich, dass Menschen sich selbst und andere Körper akzeptieren so wie sie sind. Das wird dadurch erreicht, dass Körper diverser dargestellt werden und sich Menschen nicht nur mit einem Schönheitsideal vergleichen müssen, sondern die Vielfalt von Körperformen und somit auch sich selbst akzeptieren. Dadurch wird ganz natürlich das Selbstbewusstsein und somit auch eine positivere Einstellung zur Sexualität gefördert.

 

Wie gehst du mit Tabuthemen wie BDSM, Pornografie oder sexuellen Vorlieben um?

Je mehr ein Thema tabuisiert wird, umso mehr erweckt es meine Aufmerksamkeit. Das bedeutet nicht unbedingt, dass ich diese Vorlieben teile, sondern dass ich mich sehr für die Idee hinter dieser unterschiedlichen sexuellen Vorlieben interessiere und verstehen möchte, warum es Menschen anzieht. Auf der anderen Seite interessiert es mich, warum die Gesellschaft diese Themen tabuisiert. 

 

Wie siehst du den Einfluss von Pornografie auf unsere Gesellschaft? Bzw. gibt einen Einfluss?

Pornografie kann sowohl einen positiven als auch negativen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Wichtig ist, dass Pornografie verantwortungsvoll produziert und konsumiert wird. Mit "verantwortungsvoll" meine ich eine Pornoindustrie, die darauf abzielt, ethischere und diversere Produktionen zu schaffen, die den Konsens und das Wohlbefinden der Darstellerinnen und Darsteller in den Vordergrund stellen. Es gibt mittlerweile Produktionen, die auch die Vielfalt von Körpern, Geschlechtern, sexuellen Orientierungen und Vorlieben repräsentieren und somit Schönheitsidealen und Stereotypen entgegenwirken. Darüber hinaus gibt es eine wachsende Anzahl von unabhängigen Studios und Amateurproduktionen, die eine alternative Perspektive auf Pornografie bieten, die von einem feministischen oder queer-freundlichen Standpunkt aus produziert wird. Diese verantwortungsvoll produzierten Pornos helfen Menschen, ihre Sexualität und Fantasien zu erkunden und sich selbst zu entdecken. Verantwortungsvoll konsumiert fördert Pornografie so die sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung. 

Wenn das nicht gegeben ist, dann geht der Einfluss in die negative Richtung. Nicht selten fördert dann Pornografie nämlich schädliche Stereotypen und Vorurteile, die insbesondere Frauen und Minderheiten betreffen. Ein ungefilterter Konsum führt bei vielen Menschen zu unrealistischen Erwartungen an Sexualität und Körperbild, was wiederum zu einer geringen Zufriedenheit mit dem eigenen Sexualleben führt. Zusätzlich hat übermäßiger Konsum negative Auswirkungen auf die Beziehung, wenn unterschiedliche Vorlieben und Einstellungen zu Pornografie bestehen. Wie steht ihr zu den Punkten, die Dianne für uns beantwortet hat? Habt ihr weitere Fragen an Dianne? Dann lasst sie uns gerne wissen!

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